Online CNC
Grundkonzept
Der Kunde kann in einer Web-App ein 3D-Objekt mit CNC-Fräsinstruktionen zeichnen. Dies ist ähnlich einer 3D-Zeichnung, aber die verfügbaren Zeichnungstools entsprechen den Werkzeugen und Operationen der CNC-Maschine, so dass die Zeichnung direkt auf der Maschine ausgeführt werden kann.
Sobald der Bestellungvorgang abgeschlossen ist wird das Fräsprogramm ohne weitere Kontrolle auf die Maschine übertragen. Ein Operator holt das produzierte Werkstück aus der Maschine und versendet es an den Kunden.
Screenshot aus der MyPiece Web-App zum Zeichnen eines Mundstücks. Zu sehen ist ein 3D-Querschnitt des Mundstücks und die Knotenbearbeitung der Innen- und Aussenkontur. Die Web-App zum Zeichnen der Fräsinstruktionen würde ähnlich aussehen.
Zielmarkt und Strategie
Zielmarkt sind Prototypen und kleine Serien von Werkstücken, die mit üblichen CNC-Prozessen und Werkzeugen hergestellt werden können.
Wichtig in diesem Markt sind
- eine rasche Abwicklung, so dass der Kunde wenige Tage nach Bestellung sein Werkstück erhält,
- eine problemlose Abwicklung, online über ein Webinterface, ohne Rückfragen,
- ein tiefer Grundpreis.
Erreicht wird dies mit folgender Strategie:
- Der Kunde erstellt (mit der Web-App) das Fräsprogramm, so dass keine Kosten für die Aufbereitung und Umwandlung von 3D-Daten in ein Fräsprogramm entstehen.
- Die Maschine ist mit Standard-Werkzeugen bestückt, mit denen die meisten, aber nicht alle Formen hergestellt werden können. Unter Umständen muss der Kunde sein Design anpassen um es mit der Maschine produzieren zu können. Die Maschine wird nicht für jeden Auftrag neu bestückt, wie dies bei Massenproduktionen üblich ist.
- Als Ausgangsmaterial stehen nur wenige Materialien und Grössen zur Verfügung. Aufträge werden nach Material gruppiert ausgeführt.
- Die Abwicklung erfolgt online über ein Webinterface. Auf individuelle Beratung wird verzichtet.
Bis zu einem gewissen Grad kann sich der Kunde von diesen Einschränkungen gegen Aufpreis freikaufen. Insbesondere möglich sind:
- Nutzung von anderen Werkzeugen. Hierfür wird die Maschine vor dem Auftrag entsprechend bestückt, und dieser Aufwand dem Kunden als Pauschale verrechnet.
- Nutzung von anderen Materialien. Hier fällt neben dem Materialpreis eine Aufwandspauschale an.
- Erstellen des Fräsprogramms aus 3D-Daten, Plänen oder anderen Anweisungen. Für einfache Projekte fällt hier eine Aufwandspauschale an. Bei grösseren Projekten wird zuerst eine Offerte erstellt.
- Express-Herstellung und -Versand. Solche Aufträge werden nicht nach Material gruppiert, sondern so rasch wie möglich ausgeführt.
Aufträge mit unüblichen Werkzeugen und Materialien werden nur an bestimmten Tagen durchgeführt, so dass diese Auftäge im Durchschnitt etwas länger dauern. Der Aufpreis wird so berechnet dass der anfallende Aufwand komplett gedeckt ist. Solche Aufträge sind aufgrund des Aufpreises für den Kunden weniger interessant, bieten aber im Einzelfall die notwendige Flexibität.
Massenproduktionen, oder Produktionen mit speziellen Bedürfnissen werden an einen Partner weitergeleitet der entsprechend spezialisiert ist.
Kundengruppen und Marktakquisition
Für folgende Kundengruppen ist dieser Service interessant:
- Ingenieure, die Prototypen eines neuen Produkts bauen (Produktentwicklung). Solche Firmen haben zur Zeit entweder eigene Maschinen, oder nutzen Dienstleister. Dies ist in beiden Fällen relativ teuer. Für nicht-funktionelle Prototypen kommen inzwischen oft 3D-Drucker zum Einsatz, die wesentlich günstiger sind. Für funktionelle Prototypen wäre das Online-CNC-Angebot günstiger und schneller als dies die üblichen Dienstleister anbieten können, und könnte in diesem Markt rasch auf Interesse stossen.
- Ingenieure die Kleinserien (< 100 Stück) benötigen, z. B. für den Aufbau eines speziellen Prozesses in einem Labor. Hier wird zur Zeit soweit wie möglich auf günstiges Standardmaterial zurückgegriffen, auch wenn dies etwas mehr Montageaufwand und Platz bedarf. Seit dem Aufkommen von 3D-Druckern wird aber mehr am Computer gezeichnet um Montage und Aufbau zu vereinfachen. Online-CNC würde gleiches für Metallteile oder gefräste Kunststoffteile bieten. Dieser Markt wird sich langsam entwickeln.
- Firmen die individualisierte Produkte anbieten, z. B. individualisierte Mundstücke (MyPiece), individualisierte Schubladengriffe, oder Mikropumpen mit individueller Dimensionierung. Mit Online-CNC kann eine Firma ein parametrisierbares Modell ihres Produkts erstellen, und dies bei Bedarf mit den vom Kunden gewünschen Parametern in kleinen Mengen herstellen, oder dem Kunden in Lizenz¹ zur Verfügung stellen. Dies sind (und bleiben) Nischenmärkte, üblicherweise im Hochpreissegment. Online-CNC würde solche Märkte ermöglichen, und im Verlauf der Zeit würden Firmen entstehen die diese Nischenmärkte bedienen.
- Hobby Professionals. Für dieses Segment ist Online-CNC sehr interessant, da es Möglichkeiten eröffnet die sonst aus Preis- und Platzgründen nicht erreichbar sind. Dieser Markt allein wäre aber zu klein um das Projekt zu tragen.
- In der Elektronik ist dies üblich. Hier wird beispielsweise ein Prozessor, ein Bluetooth-PHY und ein Ethernet-PHY lizensiert, und dann zusammen als ein einziger Chip (SoC) produziert. Ähnlich könnte eine Mikropumpe, ein Ventil und ein Drucksensor lizensiert und als ein Bauteil produziert werden.
Margen und Gewinn
In der Massenproduktion sind die Margen sehr tief und der Konkurrenzdruck gross. Die Maschinen-Minute ist knapp berechnet. Für jeden Auftrag entstehen aber relativ hohe Grundkosten zum Vorbereiten der Maschinen und des Fräsprogramms, damit die Teile danach sehr kostengünstig (Zeit-, Material- und Verschleiss-optimiert) produziert werden kann.
In der Prototypen-Produktion ist dies umgekehrt. Pro Auftrag darf nur wenig Aufwand anfallen, die Maschinen-Minute hingegen kann relativ teuer verkauft werden. Mit letzterem wird der Gewinn erzielt.
Material und Versand werden dem Kunden zu Selbstkosten verrechnet.
Optionen (andere Werkzeuge oder Materialien) werden mit einer relativ grossen Marge berechnet. In absoluten Zahlen wird damit zwar nicht nennenswert Gewinn erzielt, aber der anfallende Aufwand soll vollständig gedeckt sein und nicht querfinanziert werden. Insbesondere will man dem Kunden keinen finanziellen Anreiz für Optionen geben und gleichzeitig Verlust einfahren.
Angebot
Der Preis errechnet sich aus folgenden vier Komponenten:
- Material: Der Kunde bezahlt das volle Ausgangsmaterial, also das Material vor Bearbeitung.
- Produktion: Der Kunde bezahlt pro Maschinen-Minute. Beim Zeichnen wird jede CNC-Operation in Produktionszeit umgerechnet und entsprechend verrechnet.
- Optionen (andere Werkzeuge oder Materialien), falls der Kunde solche gewählt hat.
- Versand.
Beim Zeichnen des Fräsprogramms wird der Preis transparent ausgewiesen.
Kleine Firmen oder Privatpersonen zahlen direkt bei der Bestellung mit Kreditkarte. Firmenkunden können auch auf Rechnung bestellen.
Beispiel A
Messing-Teil mit diversen Ausschnitten und Bohrlöchern, Versandgewicht 200 g:
- Material: Fr. 6.-
- Maschinenzeit: Fr. 10.-
- Versand: Fr. 5.-
- Total: Fr. 21.-
Beispiel B
Obiges Messing-Teil 20x, Versandgewicht 4 kg:
- Material: Fr. 120.-
- Maschinenzeit: Fr. 200.-
- Versand: Fr. 15.-
- Total: Fr. 335.-
Beispiel C
2 grössere und komplexere Teile, Versandgewicht 1.2 kg:
- Material: Fr. 100.-
- Maschinenzeit: Fr. 200.-
- 1 Werkzeugwechsel: Fr. 100.-
- Versand: Fr. 15.-
- Total: Fr. 415.-
Versand
Der Versand wird einfach und günstig gehalten. In der Schweiz könnten die Versandpreise folgendermassen gestaltet sein:
- CHF 5 für kleine Werkstücke, die als A-Brief (bis 2 cm, 1 kg) ohne Sendungsnummer verschickt werden.
- CHF 10 für kleine Werkstücke, die als A-Kleinsendung (bis 5 cm, 500 g) mit Sendungsnummer verschickt werden.
- CHF 15 für Werkstücke bis 9 kg, die als A-Paket mit Sendungsnummer verschickt werden.
- CHF 30 für Werkstücke bis 29 kg, die als A-Paket mit Sendungsnummer verschickt werden.
Vorteile gegenüber möglichen Konkurrenten
Wir sind in der Lage, relativ kostengünstig ein 3D-Webinterface und die gesamte Automatisierung zu erstellen. Ein Konkurrent müsste dafür zwischen 100k und 1 mio CHF investieren.
Firmen aus der Metallindustrie wiederum haben einen bestehende Maschinenpark, und könnten relativ schnell einen Einstieg in diesen Markt über den Upload von 3D-Modellen schaffen. Sie hätten dann zwar einen Aufwand für jedes Projekt, könnten dies aber durch eine bessere Auslastung des Maschinenparks begründen und finanzieren.
Standort Schweiz, Standort EU
In der Schweiz sind die Lohnkosten relativ hoch. Bei hohem Automatisierunggrad und hohen Margen fallen diese Kosten aber weniger ins Gewicht. Die Maschinen-Minuten bieten relativ hohe Margen.
Eine Produktion in der Schweiz hat ausserdem den Vorteil des schnellen und günstigen Versands ohne Zollabwicklung.
Wenn das Konzept in der Schweiz funktioniert kann die gleiche Plattform auf der anderen Seite der Landesgrenze im EU-Raum aufgebaut werden, um auch diesen Markt zollfrei bedienen zu können.
Maschinentypen
Als Maschinentypen in Frage kommen (mit absteigender Priorität):
- Dreh- und Fräszentrum, 6 Achsen, Metall- oder Kunststoffstäbe als Ausgangsmaterial
- Vertikalbearbeitung, Metall- oder Kunststoffplatten als Ausgangsmaterial
- Fräse, 3 Achsen, 3 m, für Holz oder Kunststoffplatten¹ ("IKEA auf Mass")
- Laser-/Plasma-/Wasserstrahlschneiden für Metall¹²
- Fräs-/Schnittmaschine für Glas
- EDM
- Drehzentrum für Holz³
- Fräszentrum für Holz³
- Laser-Schnittmaschine für Holz, Kunststoff oder Karton³
- Diese Teile sind wesentlich grösser und würden per Spedition versandt werden. Auch für das Versand-Handling (Verpackung, ...) fallen hier höhere Kosten an, die man nur teilweise automatisieren kann.
- Das Webinterface (2D) dafür ist relativ kostengünstig erstellbar, so dass bestehende Metall-Firmen einfach als Konkurrent einsteigen könnten.
- Solche Maschinen sind für weniger als CHF 1000 erhältlich, und daher für jeden Hobbyisten erschwinglich. Die Hobby-Maschinen zwar kleiner und weniger automatisiert, tun aber den Job. Allerdings benötigen sie zu Hause relativ viel Platz und generieren Staub, so dass Hobbyisten eine einfache Online-Plattform mit rascher Lieferung durchaus bevorzugen könnten. Ausserdem könnte dies Studenten einen günstigen Einstieg bieten, da Material und Maschinen-Minute hierfür wesentlich günstiger wären als bei der Metallbearbeitung.
Kostenrechnung
Experimentelles Setup mit Second-Hand-Maschine
1 Maschine, 1 Operator
4 Maschinen, 1 Operator
Kosten für Material und Versand sind hier nicht eingerechnet, da diese kostendeckend dem Kunden verrechnet werden. Daher sind sie für diese Berechnung nicht relevant.
Maschinenpreise
Die Preise stammen aus unverbindlichen Anfragen bei den entsprechenden Firmen. Die Modelle wurden nicht besichtigt und sind nicht zwingendermassen geeignet für das Projekt.
Drehmaschinen
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Maic Heutschi
Nakamura Tome WT-250
12 Tools (?), Baujahr ca. 2000
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2024-01-30
30'000
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mullermachines.ch
Nakamura Tome WT-150
Baujahr 2003
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2024-01-16
85'000
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mullermachines.ch
MAZAK, INTEGREX 400-3S
Baujahr 2004
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2024-01-16
195'000
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mullermachines.ch
INDEX, G 200 COMPACT
Baujahr ca. 2000
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2024-01-16
150'000
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boxford.co.uk
160TCLi
Desktop-CNC, 8 Tools, neu
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2024-01-10
15'000
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marcels-maschinen.ch
GILDEMEISTER Twin 42-II
Baujahr 2003
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2024-01-08
62'000
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Web-App
Die Web-App erlaubt das Zeichnen von Fräskonturen und Bohrlöchern und Gewinden, und zeigt eine live 3D-Vorschau an. Die Berechnungen werden von der App vorgenommen. Beispielsweise kann der Kunde einen zu entfernenden Bereich zeichnen, und die App rechnet den entsprechenden Toolpfad.
Die Zeichnungs-Werkzeuge orientieren sich an der gewählten Maschine. Wenn ein Graviertool gewählt ist wird eine Gravurfläche gezeichnet, und wenn der 4 mm-Bohrer gewählt ist wird ein Bohrloch dieser Grösse gezeichnet.
Toolpfade oder Konturen können auch importiert oder exportiert werden, z. B. als SVG-Pfad, DXF, Punktliste (CSV, Excel), oder G-Code. Am Ende kann das 3D-Modell (STL, STEP) heruntergeladen werden.
Ein Webinterface in dieser Richtung (allerdings nur für die Innen- und Aussenkontur eines Mundstücks) wurde bereits für MyPiece implementiert. Dies würde als Basis für die Web-App dienen.
Screenshots aus dem Mundstück-Editor. Während die Form bearbeitet wird ist live das 3D-Modell ersichtlich.
Maschinen-Anbindung
CNC-Maschinen haben in der Regel einen seriellen Anschluss zur externen Steuerung. Bei älternen Maschinen ist dies ein serieller Port (RS-232). Neuere Maschinen haben einen Ethernet-Anschluss. Über diesen Anschluss kann die Maschine von einem Computer bedient werden.
Testen des Marktes
Zur Verfügung stehen zur Zeit eine kleine CNC-Drehbank für Kunststoff und weiche Metalle, eine kleine CNC Fräsmaschine für Holz und Kunststoff, sowie eine sehr alte professionelle CNC Fräsmaschine für diverse Metalle. Bei letzterer muss die Steuerung komplett ersetzt werden. Alle Maschinen haben kleine Verfahrwege und sind relativ langsam, würden sich aber zum Testen des Marktes eignen.
In einem zweiten Schritt könnte Maic seine freie Maschine dazu nutzen, oder uns für den Betrieb vermieten/verkaufen. Es handelt sich dabei um ein professionelles Dreh- und Fräszentrum von etwa 2000, mit einem Marktwert von etwa CHF 30'000 und einer Abschreibung von etwa CHF 3'000 pro Jahr. Dazu müsste man die Maschine an einen Computer anschliessen und das notwendige Interface erstellen damit Aufträge automatisch ausgeführt werden.
Damit wäre der Grundstein gelegt.
Ziele des Markttests
- Gesamtkonzept: Hält das Gesamtkonzept am Markt stand? Finden sich dafür genügend Kunden? Mittelfristig macht eine Weiterführung nur Sinn wenn ein Dreh- und Fräszentrum mindestens zu 50% ausgelastet werden kann.
- Generelle Umsetzbarkeit: Ist die Automatisierung umsetzbar? Wie viel manuelle Intervention ist notwendig? Mittelfristig sollte der Betrieb mehrere Tage am Stück ohne Intervention des Robotikers funktionieren.
- Webapp: Ist die App von der Zielgruppe bedienbar?
Interne vs. externe Produktion
Das Online-CNC-Konzept umfasst die Web-App, die Anbindung der CNC-Maschine und ein Versandsystem. Eine reine Online-Plattform würde die Ziele nicht erreichen, und wäre konzeptuell nicht sinnvoll.
Aus diesem Grund ist die Produktion integraler Teil des Gesamtkonzeptes. Es bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten:
- Ein eigener Maschinenpark.
- Eine enge Zusammenarbeit mit einem Produktionspartner.
In beiden Fällen müssen die verwendeten Maschinen entsprechend angebunden werden. Dies ist je nach Maschine unterschiedlich. Im Idealfall werden die Maschinen auch nicht für andere Zwecke verwendet, sondern lediglich für Online-CNC-Aufträge. Zumindest sollten die Maschinen an bestimmten Tagen für Online-CNC reserviert sein.
Im Gegensatz zu Massenproduktionen ist für Online-CNC ist nicht unbedingt ein CNC-Maschinist notwendig, sondern
- ein Operator der das Material einspannt und die gefertigten Teile verschickt,
- ein Robotiker mit IT und Maschinen-Kenntnissen, der die Fernsteuerung unterhält und bei Problemen einspringt.
Das Konzept ist nur dann sinnvoll wenn die Aufträge zum grossen Teil ohne manuelle Intervention durchgeführt werden können.